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„Blech ist unsere Leidenschaft“ – wie die Martelleria Blechmanufaktur aus Forstern weltweit Maßstäbe setzt

Erfolgsgeschichte 

Das Team von Martelleria. Alle Bilder: Martelleria

Forstern (Dezember 2025). Der erst kürzlich vergebene Exportpreis in der Kategorie Handwerk ist einer von vielen Auszeichnungen, die sich die Martelleria-Blechmanufaktur neben vielen anderen ins Regal stellen kann. 

Was als Ein-Mann-Betrieb begann, ist heute eine international gefragte Manufaktur für Metallverarbeitung: 1994 von Martin Deggelmann gegründet, beschäftigt der Betrieb im oberbayerischen Landkreis Erding aktuell rund 20 Mitarbeitende. Das Team fertigt und restauriert Karosserien und Prototypen – und überträgt die eigene Königsdisziplin, die handwerkliche Blechumformung, erfolgreich auf Architektur-, Design- und Kunstprojekte. „Unser Leitspruch bringt es auf den Punkt: „Blech ist unsere Leidenschaft““, sagt Lukas Effenberger, Operative Leitung bei Martelleria.

Vom „blech-verrückten“ Karosseriebauer zur gefragten Manufaktur

Die Geschichte ist eng mit dem Gründer Martin Deggelmann verbunden: Aufgewachsen auf der Insel Reichenau, führte sein Weg über die Ausbildung zum Kfz-Mechaniker und später zum Karosseriebauer konsequent in Richtung Handwerk und Gestaltung - Blech lag ihm sozusagen im Blut. „In meiner Freizeit habe ich als Azubi gerne an einem alten Opel-Corsa rumgeschraubt. Außerdem erlernet ich mit der Posaune das Spielen auf einem Blechblasinstrument“, sagt Geschäftsführer Martin Deggelmann. Nach der Meisterprüfung im Karosseriebau folgten prägende Jahre im Ausland – Stationen in der Schweiz, Italien und England, bei Restauratoren und Prototypenbauern, die als Vorbilder galten. Der Anspruch: lernen, perfektionieren, den eigenen Horizont erweitern.

1993 startete er dann in die Selbstständigkeit, 1994 dann die Firmengründung in Aufkirchen/Erding – zunächst allein. Mit wachsendem Team und Umzug nach Forstern wurde auch das Thema Ausbildung zum festen Teil der Firmen-DNA: rund 40 junge Menschen wurden nach Angaben Deggelmanns seither ausgebildet, darunter auch Innungs- und Landessieger. 

Der erste Auslandsauftrag: Tel Aviv – und eine Partnerschaft, die Türen öffnete

Das goldene Band.

Der internationale Weg begann gleich nach der Gründung: 1994 entstand für den Münchner Designer Ingo Maurer (übrigens auch in Reichenau aufgewachsen) das erste Auslandsprojekt – ein „Goldenes Band“ für die Oper in Tel Aviv. Die Zusammenarbeit prägte die Auslandsaktivitäten nachhaltig. Bis heute fertigte die Martelleria rund 50 „Goldene Bänder“ für Ingo-Maurer-Kunden weltweit, dazu viele weitere Objekte und Installationen – etwa für Mailand, Frankfurt, München oder New York.

Ein besonderer Moment: 2004 wurde eine Ingo-Maurer-Arbeit („Snowflake“) für die UNICEF in New York realisiert – inklusive Installation vor Ort. Solche Projekte schärften nicht nur das Profil der Manufaktur, sondern stärkten auch das internationale Netzwerk.

Ein entscheidender Wettbewerbsvorteil liegt in einer Technik, die heute selten geworden ist: Die Martelleria arbeitet unter anderem mit vier Eckold-Kraftformer – aus den 1930er Jahren stammende Maschinen zur handwerklichen Blechumformung, patentiert von den Junkers Flugwerken in Dessau. „Weil sie komplex sind und sich nicht einfach modernisieren oder digital steuern lassen, sind sie international kaum verbreitet – genau das macht sie in der Manufakturarbeit so wertvoll,“ so Martin Deggelmann.

Gleichzeitig setzt das Unternehmen bewusst auf die Kombination aus traditionellem Handwerk und moderner CAD-Technik: Entwurf, Visualisierung und präzise Umsetzung entstehen Hand in Hand – besonders wichtig bei Unikaten, Prototypen und großflächigen Freiformen im Architektur- und Designbereich.

Internationaler Durchbruch: der BMW 507 „ELVIS“

Den internationalen Bekanntheitsschub – insbesondere in den USA – brachte ein Projekt mit Strahlkraft: Die Restaurierung der Karosserie des legendären BMW 507 „ELVIS“ im Auftrag von BMW Classic. Der Roadster war 2006 in den USA in sehr schlechtem Zustand wiederentdeckt worden, die Restaurierung lief 2014 bis 2016 – begleitet von großem Medieninteresse. Film- und Fototeams dokumentierten die Arbeiten in Forstern, die Expertise der Martelleria wurde weltweit sichtbar. Aktuell restauriert der Betrieb erneut zwei BMW 507 aus den USA.

Von Europa bis Asien: Märkte, Messen und Referenzen

Anfragen von Firmen, Designern, Privatleuten und namhaften Autoherstellern kommen heute aus ganz Europa, aus den USA, teils aus Lateinamerika sowie aus Asien (u. a. Hongkong, Südkorea, China), außerdem wurden Projekte auch in Russland umgesetzt. Präsenz zeigt das Unternehmen über Ausstellungen und Messen – von Classic- und Designformaten bis zu internationalen Oldtimer-Highlights. Nicht zuletzt die Präsenz auf Fachmessen wie der Exempla (2011 und 2022) ist „Ursache für den Bekanntheitsgrad und die Auftragslage der Manufaktur. „Wir waren auch auf Messen im Ausland präsent, allerdings selbstorganisiert“, sagt Lukas Effenberger.

Ein Meilenstein 2025: Im Mai war die Martelleria erstmals direkter Aussteller beim Concorso d’Eleganza Villa d’Este am Comer See – der exklusivsten Oldtimerveranstaltung Europas – und präsentierte ausgerechnet im „Land der Karosseriebaumeister“ das eigene italienisch geprägte Handwerk und die Arbeit am o.g. Kraftformer.

Besonders stolz ist das Team auf einen von ihnen restaurierten BMW 507, der dort zwei erste Preise gewann („Most Iconic Car“ und „Best Of Show“ per Publikumsreferendum). Als nächster Schritt steht die Teilnahme am Pebble Beach Concours d’Elegance in Kalifornien im Raum.

„Schwierig ist nichts“ – aber manche Projekte sind außergewöhnlich

Blick in die Werkstatt von Martelleria.

Wenn im Betrieb von Herausforderungen die Rede ist, geht es nach Angaben von Firmenchef Martin Deggelmann weniger um das Machbare als um Umfang, Zeitdruck und Logistik. Besonders außergewöhnlich:

  • die Wildspitzbahn und
  • die BMW-507-Skulptur in Originalmaßstab – entworfen 2024, montiert in den USA im Januar 2025: eine Kunstinstallation mit Originalkarosserie, Motor und reproduzierten Teilen, voll beleuchtet und scheinbar schwebend im Raum.

Exportpraxis: Zoll, „aktive Veredelung“ und Generalunternehmer-Rolle

Mit der Internationalisierung einher gehen auch Formalitäten. „Gerade bei Aufträgen aus den USA ist die „aktive Veredelung“ zollseitig aufwändig“, sagt Martin Deggelmann: Standortwechsel, Arbeitspakete und Zeitfenster müssen eng mit Behörden abgestimmt werden – vor allem, wenn Fahrzeuge zu Partnerbetrieben für Lackierung, Interieur oder Technik weitertransportiert werden.

Hinzu komme: Durch Umstrukturierungen auf Auftraggeberseite übernimmt die Martelleria bei Auslandsprojekten zunehmend die Rolle des Generalunternehmers – inklusive Koordination von Gewerken, Qualitätsüberwachung und Dokumentationspflichten. Auch Krisen wurden pragmatisch gelöst: Während Corona verzögerten sich z. B. Glaslieferungen aus Italien. Der Betrieb reagierte mit umgestellten Abläufen und hoher Flexibilität im Team, um Termine zu halten.

Unterstützung auch von EEN Bayern durch Handwerkskammer und Bayern Handwerk International

Bei der Vorbereitung der USA-Reise 2024/2025 holte sich das Unternehmen Unterstützung bei der Handwerkskammer (HWK) für München und Oberbayern, u. a. zu Visa-Formalitäten. Zusätzlich arbeitet man je nach Bedarf mit spezialisierten Dienstleistern (Spedition/Zoll) zusammen. Die HWK München ist Mitglied im Enterprise Europe, das von der EU-Kommission gefördertes Beratungsnetzwerk für kleine und mittlere Unternehmen, an dem sowohl die Handwerkskammer für München und Oberbayern als auch Bayern Handwerk International beteiligt sind. Die Beratungsleistungen zur Internationalisierung werden z.T. über das EEN gefördert.

Den weltweiten Bekanntheitsgrad stärken außerdem Berichte in Fachmedien (Oldtimer, Yacht, Architektur, Design) sowie Social Media: Seit 2021 zeigt die Martelleria Projekte und Entstehungsprozesse auf Instagram. Parallel wird die Website modernisiert und um eine englische Version erweitert – passend zur wachsenden Zahl internationaler Anfragen.

Tipps für Exporteinsteiger: Nähe schaffen – und kulturelle Unterschiede ernst nehmen

Was rät das Unternehmen anderen Betrieben mit Exportambitionen? Lukas Effenberger: Auf kulturelle Unterschiede achten – Kommunikation, Erwartungen und Entscheidungswege unterscheiden sich oft deutlich. Weiterer Tipp: Persönliche Beziehungen aufbauen – die Martelleria lädt Kunden und Interessenten wie etwa Oldtimer-Clubs bewusst in die Werkstatt ein, zeigt Prozesse und Projekte und schafft so langfristige Bindung. Was natürlich immer zieht:  Die Nische bzw. Spezialisierung. Ein klar erkennbares Alleinstellungsmerkmal schafft Vertrauen und Nachfrage.