Dass der EU-Binnenmarkt vor allem in diesem Bereich noch kein einheitlicher ist und verschiedene länderspezifische Hürden zu überwinden sind, haben die Unternehmer des Infotags „Grenzüberschreitende Dienstleistungen in Europa- das Wichtigste in Kürze“ entweder selbst schon in der Praxis erlebt oder erfuhren es von den Expertinnen aus den genannten Ländern und den Niederlanden am 9. Oktober 2018 im IHK-Bildungszentrum in Bamberg.
Nationale Vorschriften beachten
Zwar sind all diese Länder sehr liberale und offene Gesellschaften, dennoch müssen neben den rechtlichen Grundlagen der EU-Entsenderichtlinie verschiedene nationale Vorschriften beachten werden.
Mitarbeiter immer anmelden
Entsendemeldungen sind online möglich und die erforderlichen Nachweise werden auch in deutscher oder englischer Sprache akzeptiert. Ausnahmen gibt es zum Teil für kurzfristige Entsendungen und für Arbeiten auf eigene Rechnung. Ein Tipp der Expertinnen: Im Zweifelsfall die entsandten Mitarbeiter immer anmelden, auch wenn es vielleicht nicht unbedingt notwendig sei. Bei Kontrollen (insbesondere auch auf Baustellen) sei es von Vorteil, den Nachweis der Meldung vorlegen zu können.
In den Niederlanden gibt es derzeit noch kein Meldeverfahren. Erst 2019 ist eine Einführung geplant. Dennoch sind Nachweise darüber, dass die im Land geltenden arbeitsrechtlichen Vorschriften zu Entlohnung, Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen, Arbeits– und Gesundheitsschutz eingehalten werden, erforderlich.
Nicht einfach zu ermitteln sind die dem entsandten Mitarbeiter für seine Tätigkeit vor Ort zu zahlenden Löhne. Es gibt in jedem Land eine Fülle von Tarifverträgen, die daraufhin geprüft werden müssen, ob und in welchem Umfang sie auf die jeweilige Leistung anwendbar sind. Der Tipp der Expertinnen dazu: Den Auftraggeber fragen. Wenn dieser keine Auskunft geben kann helfen regionale Ansprechpartner oder (kostenpflichtig) die Arbeitsrechtsexperten der deutschen Auslandshandelskammern vor Ort weiter.
Für deutsche Unternehmer ungewöhnlich ist die starke Rolle der Gewerkschaften in den skandinavischen Ländern, die auch bei verhältnismäßig kurzen Entsendungen auf einer Bindung des entsendenden Unternehmens an den jeweils vor Ort anzuwendenden Tarifvertrag bestehen können. Noch zu beachten: Die bedeutende Rolle, die dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer beigemessen wird. Für Erstaunen sorgte ebenfalls, dass die skandinavischen Länder sehr auf Transparenz setzen. Auch entsandte Mitarbeiter benötigen zum Teil Personen-Identifikationsnummern, die vorab beantragt werden müssen und öffentlich einsehbar sind.
Hinzu kommen steuerliche Besonderheiten, vor allem in Norwegen, das mit der EU im Europäischen Wirtschaftsraum verbunden ist.
Der Tipp aller Referentinnen an die Teilnehmer: Rechtzeitig vor einer geplanten Entsendung über die länderspezifischen Voraussetzungen informieren, längere Antragszeiten u.a. für Personen-IDs berücksichtigen, beantragte Dokumente und, wenn bei den zuständigen Behörden um Auskunft gebeten wurde, deren Antworten aufbewahren. Kontrollen werden durch die zuständigen Behörden durchgeführt und wenn Verstöße festgestellt werden, drohen hohe Bußgelder.
Wo kann man sich informieren?
Individuell zusammenstellbare Basisinformationen für die 15 für die bayerische Wirtschaft wichtigsten EU-Mitgliedstaaten bietet der „Dienstleistungskompass"
Einzelfallprüfungen und individuelle Beratungen bieten kostenpflichtig die Deutschen Auslandshandelskammern in den jeweiligen Ländern sowie Anwaltskanzleien an.
Die Referentinnen des EEN-Infotages:
AHK Dänemark: RA Jana Behlendorf, 00 45 3283 0082, jb@handelskammer.dk
AHK Finnland: Petra Steffen, 00 358 9 6122 1220, petra.steffen@deinternational.fi
Niederlande: HELEX Advocaten & Rechtsanwälte: RA Marije van der Tol, 00 31 10 310 0893, m.vandertol@helex-advocaten.com
AHK Norwegen: Antje Duca, 0047 22 12 82 41 oder 0049 172 86 69 96 6 (Kontaktbüro München), duca@handelskammer.no
AHK Schweden: RA Dr. Kerstin Kamp-Wigforss, 0046 8 665 18 56, kerstin.kamp-wigforss@handelskammer.se
Text: Cornelia Kern, IHK für Oberfranken Bayreuth