Fokus auf... Enterprise Europe Network (EEN) - Lotsen durch Europa

München (August/September 2018) - Zehn Jahre nach der Gründung hat sich das Enterprise Europe Network (EEN) etabliert: 600 Partner helfen kleinen und mittleren Unternehmen, das Potenzial des Binnenmarkts zu nutzen.

von Mechthilde Gruber

Manchen Unternehmen geht es um den ersten Schritt in einen Auslandsmarkt. Andere suchen europaweit nach Geschäftspartnern. Einige wollen Zugang zu EU-Projekten, sich an internationalen Ausschreibungen beteiligen oder die eigene Innovationsfähigkeit überprüfen. „Die Bandbreite der Themen ist groß, bei denen bayerische Unternehmen die Serviceleistungen des Enterprise Europe Network in Anspruch nehmen“, sagt Friedhelm Forge, Europaspezialist und Koordinator des EU-Beratungsnetzwerks EEN bei der IHK für München und Oberbayern. Zehn Jahre nach der Gründung gehören dem Netzwerk heute über 600 wirtschaftsnahe Organisationen in allen Regionen der EU und in Drittländern an. Allein in Bayern beteiligen sich zehn Organisationen. Die IHK für München und Oberbayern ist Koordinator des bayerischen Netzes und Ansprechpartner für die Firmen.

Umfassende Beratung

Als zentrale Anlaufstelle für alle Fragen rund um die EU bietet das EEN kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) umfassende Services an. Dazu zählen regelmäßige Länderworkshops, Kooperationsbörsen und Unternehmerreisen ebenso wie die Beratung zum öffentlichen Auftragswesen oder zu EU-Förderprogrammen. Außerdem unterstützt es bei der Partnersuche für geschäftliche Kooperationen, bei Technologietransfer oder Forschungsvorhaben. Dank der Förderung durch die Europäische Kommission ist ein Großteil der Angebote kostenlos. Auch kleinere Unternehmen haben so zum Beispiel die Chance, ihre Innovationsfähigkeit innerhalb ihrer Branche überprüfen zu lassen. Experten der EEN-Partner Bayerische Forschungsallianz und Bayern Innovativ erstellen dabei kostenfrei eine weitreichende Analyse, wie die Firmen ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit steigern können.

„Das Netzwerk bringt für Unternehmen direkten Nutzen“, sagt IHK-Experte Forge. Ob bei unverhofft auftretenden bürokratischen Hindernissen oder bei alltäglichen Herausforderungen im Auslandsgeschäft. „Das EEN ist uns regelmäßig eine große Hilfe, wenn wir für die Existenz eines Kunden im Ausland einen einwandfreien Nachweis brauchen“, versichert ein Autohändler aus München, der im Binnenmarkt gute Geschäfte macht. Denn damit Autoverkäufer steuerfrei exportieren können, fordert die Finanzverwaltung die strenge Einhaltung bestimmter Regeln und Sorgfaltspflichten. So müssen die Händler nachweisen, wer aktuell der Geschäftsführer ist und ob die Firma im Ausland tatsächlich existiert. „Ob Dänemark oder Norwegen, Bulgarien oder Rumänen – mit Unterstützung der IHK und den zuständigen  Auslandshandelskammern erhalten wir zuverlässig die dafür notwendigen Informationen und Handelsregisterauszüge“, so der Autohändler. „Prüfern des Finanzamts können wir damit beweisen, dass wir hundertprozentig saubere Geschäfte abwickeln.“ 

Feedback erwünscht

„Das Feedback der Firmen ist erwünscht und äußerst hilfreich, das Unternehmensnetzwerk legt darauf ganz besonderen Wert“, betont Forge. Beschwerden über Hindernisse im Binnenmarkt oder Probleme durch EU-Gesetze gehen direkt an Entscheidungsträger in Brüssel. Auf einer Onlineplattform können Firmen von ihren Schwierigkeiten berichten. Das EEN-Bayern organisiert in Brüssel zudem sechsmal im Jahr Veranstaltungen mit Vertretern von EU-Parlament und -Kommission, auf denen sie zusammen mit Unternehmern aktuelle Themen wie den Bürokratieabbau beim Dienstleistungsverkehr diskutieren. So kann das EEN dazu beitragen, dass schon bei der Planung und Einführung neuer EU-Gesetze die Interessen kleiner und mittlerer Firmen nicht zu kurz kommen.

Praxisfall: EEN findet Lösung für digitale Rechnung

Dass dieser Auftrag für so viel Stress sorgen würde, konnte Sky Skan Europe nicht voraussehen. Das Unternehmen aus Seeshaupt, das europaweit Multimediasysteme für Planetarien und Kuppeltheater entwickelt und installiert, hatte Ende 2014 in Spanien eine öffentliche Ausschreibung in Höhe von 500000 Euro gewonnen. Das Planetarium in Lleida, einer Provinz in Katalonien, wurde in kurzer Zeit und zur Zufriedenheit des Kunden modernisiert. „Erst mit der Rechnungsstellung begann das Problem“, sagt Ursula Schwarzer (49), bei Sky Skan Europe zuständig für Administration und Marketing. Denn Anfang 2015 war in Spanien ein neues Gesetz in Kraft getreten. Es verlangt, dass bei öffentlichen Aufträgen über 5000 Euro Zahlungsaufforderungen ausschließlich über ein elektronisches Verfahren mit digitaler Signatur gestellt werden. „Unsere Signatur – durch eine deutsche Behörde ausgestellt – war in Spanien aber nicht zugelassen, wir konnten das zuständige Portal nicht aktivieren“, sagt Schwarzer. Für die Ausstellung einer in Spanien gültigen digitalen Signatur hätte der Geschäftsführer persönlich nach Spanien reisen müssen. Sky Skan wäre außerdem gezwungen gewesen, eine spanische Umsatzsteueridentifikationsnummer zu beantragen. „Für eine einmalige Rechnung war uns dieser Aufwand zu groß, das hätte viel Zeit und Geld gekostet“, erklärt Schwarzer.

 

Auf der Suche nach einer Alternative nahm Sky Skan im Februar 2015 Kontakt zur IHK für München und Oberbayern auf, dem lokalen Partner im Enterprise Europe Network. Die IHK wiederum informierte ihren spanischen EEN-Partner, die Confederacion de Empresarios de Galicia, die sich mit den verantwortlichen Behörden in Barcelona in Verbindung setzte. Das Ergebnis der Gespräche: Sky Skan könne seine Rechnung mit deutscher Umsatzsteuer-ID auch über ein anderes Onlineportal der katalanischen Behörden stellen. Über diese Nachricht konnte sich Schwarzer nur kurz freuen. Denn zahlreiche Versuche, das Onlineportal zu nutzen, schlugen fehl. Schließlich stellte sich Ende Juni heraus, dass es an einem Softwarefehler in der EDV der katalanischen Behörden lag. Das Programm konnte ausländische VAT-Nummern nicht erkennen. Der Fehler ließ sich nicht beheben.

 

„Mittlerweile hatten wir ein großes Problem“, erinnert sich Schwarzer. „Durch die ausstehende Rechnung von immerhin einer halben Million Euro wurde unser Cashflow stark beeinträchtigt. Uns drohte ein hoher finanzieller und damit existentieller Schaden.“ Da die spanischen Stellen es zunächst weiter ablehnten, eine nicht-digitale Rechnung zu akzeptieren, setzte das europäische Unternehmensnetzwerk nun alle Hebel in Bewegung. Die IHK München schaltete die deutsche Botschaft und das Generalkonsulat in Barcelona ein, über die SOLVIT-Kontaktstelle außerdem das Bundeswirtschaftministerium in Berlin. Anfang Juli, nach gut fünf Monaten, kam es dann tatsächlich zu einer raschen Lösung: Die katalanische Behörde akzeptierte für diesen Einzelfall eine klassische Rechnung, Ende Juli hatte der Kunde bezahlt.

 

Das Netzwerk einzuschalten hat sich für das kleine Unternehmen auf alle Fälle gelohnt, sagt Schwarzer. Sie würde die Unterstützung jederzeit wieder in Anspruch nehmen: „Wir wollen uns ja nicht beschweren, sondern eine für alle akzeptable Lösung finden.“

 

Links:

Der Artikel von Mechthilde Gruber erschien in Wirtschaft - Das IHK Magazin für München und Oberbayern - 08-2018